Eine Weltreise bedeutet nicht immer „Friede, Freude, Eierkuchen“
und was wir im letzten Jahr alles gelernt haben!
Liebe Leser,
seit genau einem Jahr sind wir nun unterwegs auf Reisen: Hawaii, Zentral- und Südamerika liegen längst hinter uns und gerade erkunden wir das südliche Afrika.
Schön ist es, das Reisen! Ja, sogar sehr schön und vermutlich verbringen wir gerade die beste Zeit unsers Lebens.
Zu unserem heutigen „Bergfest“, so dachten wir, ist es aber an der Zeit, ein bisschen „aus dem Nähkästchen“ zu plaudern und euch „hinter unsere Vorhänge blicken“ zu lassen.
Mit dem Begriff „Weltreise“, assoziieren vermutlich viele „toll“, „cool“, „will ich auch“ und vieles mehr. Viele glauben, und unsere bisherigen Berichte bestätigen dies ja auch weitgehend so, reisen sei klasse und fühle sich einfach nur gut an. Aber nicht ausschließlich.
Es gibt seltene Tage, an denen würden wir am liebsten in den nächsten Flieger nach München steigen – einfach so – weil wir manchmal die Schnauze voll haben von der großen, weiten Welt!
Auf unserem „Weltreiseblog der Gnomads“ haben wir im letzten Jahr 217 Beiträge gepostet. Heute jedoch ein Artikel der anderen Art. Mit wenigen Bildern, dafür mit vielen Worten. Stimmt, der Artikel ist sehr lang geworden, aber wir hoffen, das Lesen bis zum Schluss lohnt sich für euch.
Viel Spaß beim Lesen!

Reisemüdigkeit
Manchmal sind wir ganz einfach müde, reisemüde. Ständig neue Eindrücke verarbeiten, sich neu orientieren, ständig planen, organisieren, umplanen, sich auf neue Kulturen und Mentalitäten einstellen. Organisieren in Ländern der Dritten Welt, wo die Uhren komplett anders ticken und wir mit der geliebten „easy going“ Mentalität Probleme bekommen, weil wir zu uncool deutsch sind und wir uns mehr Verlässlichkeit wünschen.
Aus dieser Tatsache hat sich für uns Regel Nr. 1 abgeleitet: „Lege regelmäßig Ruhetage und längere Pausen ein, an denen du nichts siehst, nichts hörst und nichts machst.“
Achtsamkeit
Ständig müssen wir auf der Hut sein, dass nix wegkommt. Dass wir nichts verlieren, uns nichts geklaut wird, wir nichts vergessen. Wo habe ich dies hin gesteckt? Wo habe ich das versteckt? Wo bewahre ich Dinge so auf, dass sie niemand findet? Ich jedoch schon.
Unsere Regel Nr. 2 kann viel Leichtigkeit bringen: „Ein bisschen Schwund gehört dazu.“
Immer dieser Kampf um unseren hart verdienten Euro. Wir Reisenden aus der Ersten Welt werden ganz oft als „Bankautomaten“ betrachtet und auch so behandelt. Ständig müssen wir aufpassen, dass wir nicht betrogen werden und für diverse Leistungen nicht zu viel bezahlen.
Man kann niemandem trauen und muss ständig wachsam sein. Das strengt an!
Hieraus haben wir Regel Nr. 3 abgeleitet: „Vergleiche und überprüfe mit allen Sinnen! Schau dir deine Mitmenschen an und höre auf dein Gefühl!“
Übernachten
Das Übernachten in Hostels nervt. Viele Hostels besitzen eine tolle Atmosphäre, schöne Zimmer und freundlichen Service. Aber manchmal ist es einfach nur doof: Laute Musik, jemand, der mitten in der Nacht grölt, singt, lacht. Zu jeder Nachtzeit knallen Türen, morgens um vier kommt jemand laut ins Hostel oder verlässt es. Als ich morgens um acht zur Jesusstatue in Rio gegangen bin, hat sogar jemand in meinem Bettchen geschlafen.
In Swakopmund / Namibia haben wir in einem sogenannten „upmarket“ Gästehaus zwei Nächte verbracht. Für höllischen Ärger und einen Mittelklasseaufstand seitens der Eigentümer habe ich gesorgt, weil ich dummerweise meine leicht klamme Wäsche vor unserer Zimmertür in den Garten zum Trocknen gehängt habe. Den Wäscheständer hatte mir allerdings ein aufmerksamer Angestellter ohne Aufforderung gebracht.
„Wie sähe denn das aus, wenn das alle machen würden?“ hieß es in einem barschen Ton. „Wir sind schließlich ein „upmarket guesthouse“ und da stellt man seine Wäsche nicht vor die Tür!“ Nils Antwort lautete: „Ihr schnippiges Verhalten ist aber gar nicht „upmarket.“ Worauf die etwa dreißigjähriger Juniorchefin ihrer neugierigen Mutter, die mich kurz vorher ebenfalls ohne Aufforderung in unserem Zimmer besucht hatte, zurief: „Mama, der Herr meint wir seien kein upmarket guesthouse!“ Gut, wenn im Secret Garden Guesthouse in Swakopmund deutsche Spießigkeit anstelle deutscher Gemütlichkeit herrscht, dann ziehen wir doch lieber umgehend auf den Campingplatz um!
Aber auch dort ist das Übernachten nicht immer problemlos. Denn im Etosha Nationalpark hat ein Schakal die Abspannseile und -bänder unseres Zeltes komplett durchgenagt.
Ruhe zu finden ist nicht immer leicht und das Gefühl von einem eigenem Nest, Vertrautheit, die Rückzugsgelegenheit ins Private vermissen wir nach einem Jahr Weltreise sehr.
Somit ist Regel Nr. 4 ganz leicht zu erraten: „Es geht nichts über die eigenen vier Wände. Sie sind und bleiben goldwert.“
Die Hostels sind zwar meistens sauber, aber niemals rein. Und so überlege ich mir permanent, wo ich was hinlegen kann. Wo saß gestern niemand mit seinem Blanken oder wo hat niemand irgendwas „ganz Privates“ hingelegt und die Putzfrau nicht drübergewischt?
Wisst ihr, wie wir uns am Ende unserer Südamerikareise über eine warme Dusche bei Freunden in Buenos Aires gefreut haben? Die haben uns sogar noch ein frisches Handtuch geliehen, denn unsere stinken längst nach nassem Hund. Und Schuhe mussten wir dort in der Dusche erstmals nach acht Monaten Reise auch keine Tragen. Alles blitzblank! Welch ein Luxus!
Regel Nr. 5 lautet: „Lieber fünf Euro die Nacht mehr ausgeben und Partyhostels meiden.“
Reisedurchfälle
Oftmals oder fast immer teilen wir uns in Hostels oder beim Campen das Bad mit anderen Reisenden. Die Flasche Desinfektionsspray ist längst leer und wurde aus Platzgründen auch nicht ersetzt. Hier unsere Frage: „Habt ihr euch schon mal dauerhaft im Stehen entleert?“ Gut, pinkeln ist vor allem für die Männer kein Problem, aber darüber hinaus?
Was ist bei Erbrechen und Durchfall? Im Stehen? Stereo? Und dann noch der lange Weg, vielleicht über eine steile Wendeltreppe wie damals in Guatemala nach unten ins Gemeinschaftsbad?
„Nur Obst und Gemüse, das man schälen kann, kein Speiseeis, Vorsicht bei Fleisch und Fisch und wenn’s einen dann doch trifft, Augen zu und durch. Es gehört dazu, “ so definieren wir Regel Nr. 6.
Beziehungsangelegenheiten
Und dann ist da noch die Sache mit der „24-Stunden-Beziehung“. In den ersten Monaten unserer Reise haben wir uns ziemlich angenervt. Ich wollte in Patagonien wandern. Nils musste aber fast täglich ins Internet. Auf’m Berg gibt es aber kein Internet. „Gut, dann können wir eben nicht auf den Berg.“ „Was machen wir dann in Patagonien?“ … Hölle! Mittlerweile haben wir einen Modus gefunden und ich unternehme meine mehrtägigen Wanderungen alleine, dann haben wir auch mal wieder ein paar Tage Distanz.
„In regelmäßigen Abständen eine Beziehungspause einlegen, das tut gut“, so Regel Nr. 7.
Mitreisende
So schön es ist, andere Reisende zu treffen, so sehr können sie auch nerven. Oftmals geht man Zweckbeziehungen ein, um sich die Kosten für einen Mietwagen, die Safari oder die Kilibesteigung zu teilen. Tja und dann heißt es „mitgegangen, mitgefangen.“ Denn auf Dauer sind manche Reisenden etwas anstrengend. Hier ein Beispiel:
Als mir auf dem Kili wegen der Höhe sauübel war, ich kaum laufen aber mich nicht übergeben konnte, hat mir eine freundliche Dame aus unserer Dreiergruppe ihre kleinen Wasserflaschen angeboten, damit ich nicht meine großen, schweren tragen musste. Wie lieb von ihr! Aber ihr Freund hat darauf erwidert: „Liebste Freundin, bedenke, dass Yvonne krank ist. Und aus welcher Flasche sie heute trinkt, aus dieser wird sie für den Rest der Tour trinken, weil wir uns sonst anstecken werden.“ Ha, seit wann ist denn die Höhenkrankheit anstreckend? Und selbst wenn mir wegen der schlechten hygienischen Bedingungen übel gewesen wäre, wie hätte ich die beiden anstecken sollen? Vielleicht haben wir ja einen Mediziner unter unseren Lesern, der mir diese Logik klarmachen kann. Ich habe seine Logik in zahlreichen Fällen bis heute nicht verstanden.
Ich kann es nicht lassen, hier noch meine kleine Lieblingsgeschichte mit dem freundlichen Mitwanderer:
In der Aufstiegsnacht zum Kili, die insgesamt gut sechs Stunden dauerte, hatte ich zuerst zwei gute Stunden, dann zwei in denen mir total schwindelig war und ich Probleme mit der Balance hatte. Den beiden anderen Wanderern ging es deutlich besser. Ich sollte jedoch direkt hinter dem Guide laufen, um das Tempo zu bestimmen. Schließlich war ich jeden Tag die Langsamste. Das Geheimnis meiner Mitwanderer bestand nämlich stets darin, schnell aufzusteigen, um sich dann am Camp angekommen, mit Kopfschmerzen und Aspirin im Zelt zu erholen. Ich forderte während den beiden Stunden, in denen mir schwindelig war, exakt drei Pausen zum Verschnaufen und Trinken ein, die nicht länger als eine Minute dauerten. In der dritten Pause, gut zwei Stunden vorm Kraterrand, meinte dann der Mitwanderer: „Yvonne, du musst dir überlegen, ob du weitergehen kannst und willst, denn wir anderen können nicht ständig auf dich warten. Uns wird kalt. Und du weißt ja, es ist alles eine rein mentale Angelegenheit.“ Mich in diesem Moment wortlos umzudrehen und ihm nicht gegen sein staksiges Schienbein zu treten, war für mich und den Steinbock in mir die größte Herausforderung während der ganzen Wanderung. Aber die Strafe folgte auf den Tritt. Ich war über eine halbe Stunde vor ihm am Kraterrand und auch am Gipfel. Dem schlauen Herren ging es nämlich unmittel nach seiner weisen Empfehlung so richtig schlecht und er hat sich auch nicht mehr davon erholt. Er musste regelrecht vom zweiten Bergführer Körper an Körper den Berg hochgepushed werden und sich immer wieder auf die Erde legen. Völlig x-beinig, mit Armen, die fast am Boden hingen und völlig benommen, kam er als letztes am Gipfel an. Bei diesem Anblick konnte ich mir meine Schadenfreude nun wirklich nicht mehr verkneifen! Wie war das mit der „mentalen“ Einstellung?
In solchen Fällen hilft nur die altbewährte Regel Nr. 8: „Diskutiere nicht mit Toastbrot!“
Grundeinstellung
Wir fliegen wieder mal von A nach B, doch einer unserer Rucksäcke ist nicht am Zielflughafen angekommen. Klar, auch das kommt vor! Theoretisch ist das auch nicht die Welt, praktisch sieht das aber ganz anders aus: Alles, was wir besitzen und was wir brauchen, befindet sich in unseren roten Rucksäcken. Unsere komplette Outdoorausrüstung inklusive Campingequipment kostet ein kleines Vermögen und wurde in liebevoller Kleinstarbeit recherchiert und ausgewählt. Sie war weder in Südamerika, geschweige denn ist sie auf dem afrikanischen Kontinent auch nur in Ansätzen zu ersetzen.
Wir können also nur hoffen und beten, dass der Rucksack irgendwann nachgeliefert wird, denn Unterstützung von den Airlines gab’s bisher nicht. Sagte der Typ in Buenos Aires doch: „Ich habe hier im System, dass Ihr Gepäck morgen in der Früh mit der ersten Maschine um 8 Uhr mitgeliefert wird. Am späten Nachmittag bekommen Sie Ihren Rucksack dann ins Hostel geliefert.“ Als wir spät abends immer noch nichts gehört und gesehen haben, rufen wir bei LAN an. Die Antwort lautete: „Es gab überhaupt gar keinen 8 Uhr Flug. Und außerdem kann ich Ihnen auch nicht sagen, wann und wie Sie Ihr Gepäck zurückbekommen werden. Haben Sie Geduld“ „Geduld, wir werden die Stadt bereits in vier Tagen wieder verlassen.“
Den Flug hatten wir selbstverständlich schon gebucht. Nach vier Wartetagen und unzähligen Anrufen hat LAN unseren Rucksack dann in irgendein Hostel geliefert. Macht nix, schließlich hätten wir ihnen doch die falsche Adresse genannt. Nein, haben wir nicht!
Die Lektion, die wir aus dieser Aktion lernten, haben wir in Regel Nr. 9 festgehalten: „Agiere mit Charme und Biss aber bleibe lässig und geduldig.“
Ja, jede Medaille hat zwei oder noch mehr Seiten. Das steht außer Frage. Neben unseren „happy, alles supidupi Reiseberichten“, wollten wir unsere persönliche Wahrheit neben der anderen Wahrheit kundtun. Wir hoffen, euren Blick auf eine Reise um die Welt und somit eure Vorstellung von einer Langzeitreise mit unseren ganz privaten Erfahrungen ein wenig erweitert zu haben.
Wir wissen nicht, ob ihr uns nach diesem Artikel noch glaubt, wenn wir sagen: „Wir freuen uns riesig auf die kommenden 12 Monate in Asien und Ozeanien!“ Ist aber wirklich so!
12 Grüße aus 12 Ländern senden wir euch nach Deutschland!
Nils und Yvonne
