Die Mentalität der Reisenden

Im letzten Jahr haben wir nicht nur die Menschen und Mentalitäten der von uns bereisten Länder kennen gelernt. Die Mentalität unserer Mitreisenden zu beobachten und zu erleben ist ebenso spannend. Vor allem erleben wir dabei immer wieder eine Überraschung. Wir haben Spaß daran, am Erscheinungsbild und am Verhalten, die Nationalitäten unserer Mitreisenden zu erraten und mittlerweile sind wir gar nicht mal schlecht darin. Was uns auffällt, was uns ins Auge sticht, was uns gefällt, was uns nervt,… wir haben versucht, die Nationalität aufgrund unserer persönlichen Erfahrungen zu beschreiben:

Australier, Neuseeländer, Franzosen, Engländer, Belgier, Österreicher, Norweger sind insgesamt sehr offen, hilfsbereit und unkompliziert. Wir haben viele witzige Stunden mit vielen Europäern verbracht und genießen immer noch gerne ihre Gesellschaft.

Fotomagic

Die Schweizer:
Wer aufgrund des reduzierten Sprechtempos glaubt, Schweizer seien langsam, der irrt gewaltig. In Patagonien waren wir eine Weile mit einem schweizer Paar unterwegs und wir waren absolut im Stress. Bis unser Kaffeewasser zum Frühstück endlich gekocht hatte, hatten die zwei ihren Kaffe längst getrunken und das Geschirr schon wieder abgespült. Wir wissen bis heute nicht, wie die zwei immer so schnell sein konnten…

Abendbrot mit Schweizern

Die Amerikaner:
Die Amerikaner sind kein leichtes Volk für uns. Die jungen Amerikaner erleben wir als cool, laut und ignorant. Man erkennt sie nicht nur an ihrer Lautstärke sondern auch an ihren Sonnenbrillen der Marke „Oakley“, Baseballmützen und Turnschuhen mit Tennissocken.

Turnschuhe und Tennissocken

In Guatemala musste Nils regelrecht aufpassen, dass er nicht in eine Schlägerei mit einem jungen Amerikaner geraten ist. Dieser fühlte sich in einer Höhle mit Fledermäusen durch Nils Blitzlicht beim Fotografieren extrem gestört. Anstelle seinen Platz zu wechseln, musste er rumstänkern. Alle anderen fanden das Blitzlicht klasse, denn dadurch konnte man die Fledermäuse in der Höhle erst richtig gut sehen.
Die älteren Amerikaner sind absolut freundlich, hilfsbereit und total „uncool“. Sie sind von ihrer Jugend selbst nicht sonderlich begeistert und sprechen von einer „Facebook- und Twittergeneration“. Ein Universitätsdozent aus San Diego, den wir auf den Galapagos Inseln kennen gelernt haben, erzählt: „Ich sage meinen Studenten immer, ihr glaubt, alle Welt findet euch toll und will so sein wie ihr, aber ihr täuscht euch. Die anderen mögen euch noch nicht mal! Aber sie haben euch alle eins voraus. Sie sprechen mindestens eine Fremdsprache und zwar meistens englisch. Dies bedeutet, sie können über euch reden, ohne dass ihr es merkt.“
Es gibt Amerikaner, die sich im Ausland als Kanadier ausgeben und die kanadische Flagge auf dem Koffer kleben haben oder als Pin am Hut tragen. „Dann behandelt man uns besser“, so eine junge Juristin aus San Francisco.
Also Vorsicht, wenn ihr einen vermeintlichen Kanadier trefft, es könnte sich ein Amerikaner dahinter verstecken…

Die Holländer:
Daan und Majo reisten für sechs Monate durch Südamerika. Auf einer sechsunddreißigstündigen Fahrt in einem ganz normalen Bus von Süd- nach Nordpatagonien haben wir uns kennen gelernt. Wir sind zusammen in einer kalten Herbstnacht fast erfroren, da im Bus die Heizung ausgefallen war. Wir mussten eingemummelt in unsere Schlafsäcke vier Stunden auf einen neuen Bus warten. Es war eiskalt!

eine Nacht im Bus

Weil solche Ereignisse verbinden, haben wir anschließend ein paar Tage zusammen in Bariloche verbracht. Wir waren sogar Zimmernachbarn! Dies haben wir jedoch nur durch Zufall erfahren. Wir hörten ein Paar nebenan streiten und dachten aufgrund des Temperaments, es seien Südamerikaner. Schnell konnten wir ihre niederländische Sprache und ihre Stimmen identifizieren. Darauf hin haben wir einen Freudentanz in unserem Zimmer aufgeführt, denn wir waren endlich nicht mehr das einzige Paar auf Reisen, das streitet.
Daan erzählte uns auch, dass er und seine Familie seit Jahren über die Autobahn nach Österreich zum Skifahren reisten und sich seine Schwester immer fragte, warum in Deutschland jede Stadt „Ausfahrt“ heiße? Es habe wohl etwas länger gedauert, bis sie verstand, dass Ausfahrt „Exit“ bedeutet.
Als sich unsere Reisewege trennten, hat uns Daan konstant per Mail informiert, welche Städte er empfiehlt, wo wir übernachten und was wir dort unternehmen sollten. Daan kommentiert immer wieder auf unserer Homepage und hat uns dieses amüsante Video über einen Gartenzwerg auf Reisen geschickt. Da sage noch einer: „Deutsche und Holländer vertragen sich nicht.“ Wir sagen: „Nur wenn es um Fußball geht.“ 🙂

[youtube AOP8e9VEEYU]

Die Israelis:
Der Militärdienst ist in Israel unabhängig vom Geschlecht verpflichtend. Anfang zwanzig haben die jungen Israelis ihren zwei- bis dreijährigen Wehrdienst abgeschlossen und reisen anschließend für etwa ein halbes Jahr durch Südamerika, Asien oder Ozeanien. Zu geschätzten 98% reisen sie in Gruppen und sind in Südamerika über ihre Homepage, die in ausschließlich in hebräischer Sprache geschrieben und immer up to date ist, organisiert. Bei den meisten europäischen Nationen sind Israelis, die in Gruppen reisen, nicht sonderlich beliebt. Denn zum einen herrscht in Gruppen immer eine andere Dynamik, d.h. es ist laut und wild. Zum anderen wollen die Israelis Party machen und sich vergnügen, d.h. oftmals Sex haben. Es gibt Hostels, die haben sich auf Israelis „spezialisiert“. Bereits an der Eingangstür steht alles in hebräischer Sprache. Andere sind gemischt und wieder andere nehmen keine Israels auf, weil diese zu wild seien. Auch die Autovermieter in Neuseeland haben Probleme mit Israelis: „They crash our cars so often!“
Was ist da los?
Die Theorie vieler Reisender lautet wie folgt: Diese jungen Menschen haben gerade den Krieg heil überlebt, d.h. sie fürchten nichts und wollen sich amüsieren. Was ich durchaus verstehen kann! Eine junge Israelin erzählte uns von ihrem Job beim Militär und Nils und mir hatte es dabei regelrecht die Nackenhaare aufgestellt. Wenn wir die höchsten 23 Jahre alte Frau richtig verstanden haben, dann musste sie Funkgeräte reparieren – und zwar im Krisengebiet. Das heißt, immer wenn ein Funkgerät nicht funktionierte, wurde sie alarmiert, musste in die Kampfzone mit ihrem Jeep reinfahren und das Funkgerät ganz fix reparieren. Wenn man also den Zusammenhang betrachtet, dann ist das Partyverhalten, das uns Europäer so oft nervt, durchaus nachvollziehbar.
Ältere Israelis, die z. B. nach ihrem Studium nochmals auf Reisen gehen und dann alleine bzw. zu zweit unterwegs sind, zeigen eine ganz andere Reisementalität. Sie sind ruhig und freundlich und man kann sehen, dass sie sich ausgetobt haben.

Die Deutschen:
Wenn wir andere Reisende fragen, wie sie uns Deutsche sehen, dann bekommen wir ganz interessante Antworten.
Deutsche haben ein Problem sich anzupassen, lautet ein Fazit, das ich aus einer Unterhaltung mit zwei Schweizern gezogen habe.
Eine Portugiesin, deren Schwester seit vielen Jahren in Deutschland lebt und mit einem deutschen Mann verheiratet ist, erzählt: “ Ich war mal sehr krank. Ich hatte Typhus. Mein Arzt war sehr kompetent. Ich fand ihn sehr ‚deutsch‘. Irgendwann habe ich zu ihm gesagt: Wissen Sie was? Sie kommen mir vor, wie ein deutscher Arzt. Sehr professionell, aber total kalt. Kein einziges privates Wort, keine freundliche, vertrauensvolle Geste.“
Ein weiteres Beispiel, das sie für die Kühle der Deutschen anführt ist, dass wir uns zur Begrüßung die Hände schütteln. Portugiesen küssen sich kurz auf die Wange. Mittlerweile wolle ihre deutsche Verwandtschaft aber auch immer geküsst werden, wenn sie zu Besuch nach Deutschland kommt.
Was uns betrifft, so stellen wir fest, dass einige Deutsche ihre Landsmänner im Ausland meiden. Manche Deutsche und so auch wir reisen nach dem Motto: „Psst, ein Deutscher, besser nicht zur Erkennung geben.“ Als würden wir uns gegenseitig nich am Akzent im Englischen, dem Aussehen und den getragenen Marken erkennen.
Auf einem Campingplatz in Botswana standen zwei Frauen mit ihrem Camper auf dem Zeltplatz Nr. 1b, der uns an der Rezeption zugeteilt wurde. Der Wärter hatte uns informiert, dass Nr. 1b bereits vergeben sei. Dies wollten wir genau wissen, man weiß ja nie. Die beiden Damen standen auf einem Platz, der nur mit der Nummer 1 versehen war. Also haben wir nachgefragt, ob sie auf 1 oder auf 1b stünden. „Dies ist 1b.“ „Ah, okay, dann passt das“, so lautete unsere Antwort. Da sie mich fragend anschaute, ergänzte ich, dass man uns an der Rezeption 1b zugeteilt habe, dies aber kein Problem sei. „Ja, vielleicht da oben, wie wäre denn das?“ „Kein Problem, es sind noch genügend frei, wir finden schon ein Plätzchen.“ Sie drehte sich ganz schnell weg und plötzlich zeterte ihre Freundin im Wagen los, ohne dass sie sich uns jemals gezeigt hätte: „Dies ist unser Platz, wir stehen hier schon seit zwei Stunden!!“ „Ist schon in Ordnung, wir wollen euch euren Platz überhaupt nicht streitig machen!“…
Dies ist für uns „typisch deutsch“! Revier finden, sofort die Grenzen abstecken und wehe da kommt einer an und will was, der wird dann gleich vom Platz gewiesen.
Auch wir entdecken an uns oftmals diese typisch deutschen Verhaltensweisen. Nils ärgert sich z. B. immer, wenn andere Camper bei Tag und bei Nacht quer durch unseren Zeltplatz spazieren. Schließlich sei das SEIN Revier! Nachts nerven ihn vor allem die Flip Flop-Träger mit ihrem „Geschlürfe“!
Ich beschwere mich gerne, wenn nach 21 Uhr noch laute Musik läuft oder morgens um sieben vor unserem Zimmer gelärmt wird. Gelegentlich ziehen wir auch spät nachts kommentarlos unser Zelt in eine ruhige Ecke um. Manchmal haben wir den Eindruck, wir sind die einzigen, die das stört und die einzigen, die sich beschweren. Am anderen Morgen liegen wir dann in unserem Zelt, schauen uns an und sagen: „Mein Gott, waren wir heute Nacht wieder „deutsch“ unterwegs.“

10 Gedanken zu „Die Mentalität der Reisenden“

  1. klasse, ich verwende diesen artikel im ethikunterricht: thema: was ist dran an vorurteilen und was hat man davon?

    kusskuss, daseppl

  2. Klasse geschrieben, ich musste so manches Mal schmunzeln. Wir sind relativ viel im arabischen Raum unterwegs und meiden dort auch, wo es nur eben geht, die Deutschen. Aber wie auch bei Euch entdecken wir manchmal auch bei uns typische Verhaltensweisen. Ich denke jedoch genau dies ist der Punkt – die Fehler erkennen und daran arbeiten.

  3. Schön geschrieben…auch wir meiden im Urlaub die Deutschen 😉 Lieber mal andere Leute kennenlernen. Im letzten Urlaub waren es dann total nette Schweizer!

  4. Auf Galapagos, also fast dem Ende meiner Reise, lernte ich einen Koreaner und ein israelisches Ehepaar kennen. Als der Koreaner meinte, dieser wahnsinnig lange Militärdienst sei doch „verlorene Zeit“, waren die beiden natürlich völlig anderer Ansicht (Staat ist wichtiger als das individuelle Eigenwohl, daher ist dem Staat zu dienen auch keine „verlorene Zeit“) und wir haben schnell ein neues Thema gesucht und uns angezwinkert 😉

    Da der Koreaner im Gegensatz zu uns von Nord nach Süd reiste, tauschten wir uns irgendwann über Reiseziele in Bolivien und Peru aus. Alles, was ich toll fand, fand das Pärchen „zu langweilig“ (Titikakasee, Arequipa, Paracas,…), und was sie richtig toll fanden (Action in Cusco) fand ich viel zu „touristisch“

    Interessant auch, wie genau sie wissen wollten, wie viel ich/wir wofür bezahlt hatte. Im Verhandeln der Preise sind sie knallhart und informieren sich perfekt untereinander über die niedrigsten Preise (sagen sie auch ganz offen. Damit kann man natürlich besser verhandeln, wenn man weiß, die Gruppe letzte Woche hat den Trip für den Betrag X bekommen). Es wird selbst bei ohnehin sehr niedrigen Preisen verhandelt. Unser peruanischer Guide auf dem Lares Trek findet dieses Verhalten furchtbar, da es gewisse Waren (Obst, Gemüse) gibt, wo es in einem richtigen „Preiskampf“ der Marktfrauen endet, diese am Verkauf nichts mehr verdienen, und auch ein Peruaner würde bei diesen Produkten meist mehr bezahlen, da z.B. niemand dermaßen um Bananen feilschen würde. Im Gegenzug wird beim Alkohol/bei den „Party“-Kosten dann das Geld zum Fenster rausgeworfen. Das mache ihn richtig sauer, meinte er. In Bolivien, Uyuni, in einer Unterkunft, die nur etwa 3 Euro pro Nacht kostete (super billig für tolle Qualität!), traf ich zwei super nette Reisende aus Israel, die gerade von ihrer drei-Tages-Tour aus dem Salar de Uyuni zurück kamen. Die Hostel-Leitung hatte ihnen erlaubt, ihr überschüssiges Gepäck dort einzulagern und dort auch noch mal zu duschen (Wasser ist dort SEHR knapp!). Aber dafür bezahlen wollten sie dann nicht und haben sich von ihrer extrem „un-netten“ Seite gezeigt und wegen 2 oder 3 Euro einen riesigen Terz angefangen. Sind stocksauer raus und haben jedem erzählt, wie sch… die Unterkunft sei – was einfach nicht stimmte. Fand ich sehr schade.

  5. birte, ist eine frage erlaubt?
    Warum habt ihr euch eigentlich angezwinkert? Wisst ihr vielleicht, warum die Deutschen in Afganistan sind? Dann bitte, sagt es!!

    interessierte Grüße,

    Walter

  6. Hallo ihr zwei,
    das tut uns aber leid, dass wir euch so gestresst haben 😉
    Wir denken gerne an unsere Zeit vom Reisen zurück und natürlich auch an die Zeit, die wir mit euch in Patagonien verbracht haben.
    Es ist spannend, eure Reise mit zu verfolgen und gerade bei den Bilder von Namibia und nun auch Neuseeland kommen sehr viele Erinnerungen hoch. Haben wir diese wunderbaren Länder doch auch bereist.
    Geniesst es weiterhin, denn der Alltag hat einem nach dem Reisen doch sehr schnell wieder.
    Herzlich Lis und Matthias

  7. Hallo Walter,

    wir haben uns angezwinkert, weil wir gemerkt haben:
    wir sind einer Meinung. Für uns sind 2 Jahre verpflichtender Wehrdienst und freiwillige Verlängerung auf 5 Jahre nicht die selbstverständliche Bürgerpflicht/-ehre und das Wichtigste, was wir für unser Vaterland tun können.

    Aber vor allem haben wir uns angezwinkert, weil wir geschickt das Thema wechseln wollten und gewechselt haben.

    Ich weiß nicht, wie dich das jetzt nach Afghanistan bringt, ich weiß nur, dass mir die Diskussion viel zu heikel war und ich auch jetzt nicht über Afghanistan reden kann, weil ich viel zu wenig darüber weiß.

    Über das Warum kann ich „spekulieren“, denn ich habe nur die Informationsbrocken aus den Medien. Und je nach Blickwinkel werden die Gründe sehr unterschiedlich dargestellt und wahrgenommen.

    Gruß, Birte

  8. Hallo Bleichgesichter

    So wie es aussieht, besser gesagt, tönt seid ihr immer noch etwas traumatisiert von unserer gemeinsamer Tour im NP von Torres. Hoffentlich ist das nicht die einzige Erinnerung, welche euch von uns geblieben ist. 🙂 Sorry, Nils für das frühe Aufstehen am Morgen. Aber ich muss schon sagen Morgenstund hat Gold im Mund. Und so schnell werde ich meine Meinung nicht ändern.
    Geniesst NZ, hoffentlich habt ihr ein bisschen weniger Regen als wir.
    Liebe Grüsse die Indianer

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